Solitary Experiments – Future Tense (CD-Kritik)

Die erfolgreiche Electro-Band Solitary Experiments, die sich 1994 um Dennis Schober und Michael Thielemann in Frankfurt (Oder) formierten, stehen seit mittlerweile 24 Jahren mit ihrer eingängigen Mischung aus Synth- und Future-Pop-Klängen und wuchtiger EBM an der Spitze der hiesigen Electro-Szene und sind aus dieser nicht mehr wegzudenken. Nach Erscheinen des letzten Output „Phenomena“ (2013), mit das sie die Hörer auf eine redlich atemberaubende Achterbahnfahrt durch gefühlvolle Untiefen und außerordentlich dosierte aggressive Ausbrüche schickten, musst sich die Fans in Sachen neues Material lange in Geduld üben. Doch nun ist es endlich soweit: Am 26. Oktober 2018 bringen SE ihr siebtes Studioalbum unter dem Titel „Future Tense“ auf dem Markt.

Mit atmosphärischen Future-Pop-Hymnen liefern Solitary Experiments den Soundtrack für die Visionen einer futuristischen Großstadt. Vom Beginn der Platte, mit dem träume- risch-verspielten „A Countdown“, bis zu den letzten ausklingenden Sekunden des lang- sam-schmissigen Closers „Phoenix“ überzeugt das Album vor allem durch wunderschöne Melodien und vielschichtige Instrumentals. Songs wie „Every Time“ erinnern hierbei hier und da an die zurecht umjubelten VNV Nation in ihrer „Automatic“-Phase, und „Ach- romatic“ ist klassisches SE-Material oberster Güteklasse. Mit „Crash & Burn“ liegt sogar ein Duett mit Tea F. Thimé von Ashbury Heights vor, welches mit seiner zappeligen Upbeat-Elektronik kein Bein stillhalten lassen sollte.

Über die 57 Minuten des 12-Song-Albums beweisen Solitary Experiments ihre Versiertheit auf dem eigenen Gebiet in voller Bandbreite. Kein Song haut daneben, der Spannungs- bogen ist durchgehend. Das Album ist keine Achterbahnfahrt, „Future Tense“ ist ein Hort schöner Songideen, die einfach funktionieren. Gelegentlich findet man aber kleine Eigenheiten, bei denen man merkt, dass Englisch nicht die Muttersprache dieser Kombo ist – so kommt es auf dem sonst schönen, hypnotisch-ruhigen „Shelter“ zu der sehr holpernden Zeile „You have so much sacrifced.“ Dennoch bleibt „Die Zukunft“ der einzige komplett deutsche Song der Platte, den wir mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch auf den zukünftigen Konzerten des Projekts hören werden. Wenn nicht, wäre es schade, da viele der Songs absolut livetauglich sind.

Einer meiner Lieblingssongs auf dem Album ist aber „I Am“, der zu enormer Größe an- schwillt, eine Hymne mit Ohrwurmcharakter. Dieser Song kommt auf jeden Fall in meine Jogging-Playlist, wenn es mich an den weniger regnerischen Herbsttagen mal wieder auf die Berliner Straßen zieht. Auch „Double Dealer“ wäre ein guter Kandidat für diese Liste, der mystisch-bedrohliche Sound mit Zeilen wie „Life runs fast“ erinnert mich ein wenig an die fantastische Mesh-Single „Kill Your Darlings“.

Die schnelleren Nummern auf dem Album zünden sofort, „Crash & Burn“, „Die Zukunft“, „Brace Yourself!“, „I Am“ und co. gehen innerhalb der ersten Sekunden ins Ohr. Die langsameren Songs hingegen ziehen den Hörer langsam, aber sicher in ihren Bann. So ist „Sanctuary“ ein wirklich schöner Song, getragen von ungeheurer Melancholie, und „The Struggle“ erzählt die Geschichte eines Menschen, der nach seiner inneren Harmonie sucht. Hier wird sogar in die Strophe ein wenig Bilingualismus eingestreut, wenn plötzlich eine deutsche Zeile ertönt. Der letzte Song des Albums, „Phoenix“, ist ebenfalls ein wenig langsamer und macht sich als Abschluss perfekt. „To the final destination, where we will meet again“ – Wie ein Abspann zu einem utopischen Film lässt sich der Song genau die Zeit, die er braucht, um uns schließlich vom sanft wiegenden Synthie-Meer in die Stille zu entlassen. Der Phönix steigt auf, lässt uns das Panorama der Zukunft, das in den bisherigen Songs der Platte gezeichnet wurde, von oben begutachten, um dann zu entschweben.

Fazit: Ein melodiös sehr starkes Album, vielschichtig, faszinierend, einnehmend. Solitary Experiments haben ein fantastisches Ohr für gute Harmonien und schöne Instrumentals. Ein sehr gutes, dichtes Future Pop-Album ohne Ausfälle, sondern mit 12 konstant guten Songs. Die Stimmung ist recht homogen, jedoch wird gut mit dem Wechsel der Tempi gearbeitet, sodass ich nie das Gefühl habe, dass die Platte gerade zu hektisch oder zu träge ist. Mit „Future Tense“ beweisen Solitary Experiments ihr Standing und machen das, was sie am besten können. Keine großen Experimente, keine erzwungene Weiterentwicklung, sondern ausgereifte Sounds und Songs zum Genießen.

Tracklist:

01 A Countdown
02 Every Time
03 Achromantic
04 Crash & Burn feat.Tea F. Thimé
05 Brace Yourself!
06 Shelter
07 Die Zukunft
08 Sanctuary
09 I Am
10 The Struggle
11 Double Dealer
12 Phoenix

Kaufen: Amazon

VÖ: 26.10.2018
Genre: Electro / Future Pop
Label: Out Of Line

Solitary Experiments – Future Tense Tour 2018
+ Special Guest RROYCE

02.11.2018 Nürnberg, Cult
03.11.2018 Dresden, Club Puschkin
09.11.2018 Erfurt, From Hell
10.11.2018 Hamburg, Markthalle
16.11.2018 Oberhausen, Kulttempel
17.11.2018 Frankfurt / Main, Das Bett
23.11.2018 Rostock, Zwischenbau (+ Framework)
24.11.2018 Leipzig, Moritzbastei
30.11.2018 Bremen, Trivoli (+ Tyske Ludder)
01.12.2018 Brandenburg, Haus der Offiziere

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