Renard – Waking Up In A Different World (CD-Kritik)

RENARDMarkus Reinhardt ist ein musikalisches Genie. Das bewies er seinerzeit bei WOLFSHEIM, wo er dank seiner Arrangements dafür sorgte, dass die großartige Stimme von Peter Heppner ein würdiges Umfeld hatte, und er beweist es auch mit seinem neuen Projekt RENARD. Auf „Waking Up In A Different World“ baut er große Welten auf, den Gesang überlässt er dabei Größen wie Marian Gold (Alphaville) oder Pascal Finken- auer (JAW).

Die Songs transportieren voller Soundverliebtheit den typischen Synthpop in die Gegen- wart, und liefern an sich bereits die im Titel beschworene Parallelwelt in die Ohren des geneigten Hörers. „Travel In Time“, die erste Single des Albums, hat hierbei bereits schon fast die Grazie und den Stil einer Wolfsheim-Nummer, während der Opener „The Meissen Figurine“ eine gewisse Depeche Mode-Stimmung trägt.

Dazwischen: „Restless“, großartig gesungen von Marietta Fafouti. Ein Song mit fast schon mystischer Energie, so voller Größe und vor allem gesanglich eine absolute Glanzleistung. Sowohl Vocals als auch Instrumental komplimentieren sich gegenseitig und liefern eine Schönheit, in der man baden möchte. Von ähnlicher Schönheit ist auch „Heresy“, das sich mit gediegenerem Rhythmus fast meditativ ins Ohr zaubert. Lyrisch behandelt dieser Song sowie das gesamte Album die Reflexion eigener Erfahrungen, persönlicher Entwicklung und Wachstum: „Don’t be brainwashed by the sweet talk.“

„Hotel“ bildet den Mittelpunkt der Platte und stellt definitiv eines der Highlights des Albums dar. „At the end of the floor lives a grey old man […] He’s a junkie perhaps, pumped up with religion, some call him God, but I think it’s a joke“ – voller Atmosphäre und Stärke wird hier eine kleine Geschichte erzählt, von Hotels. Orte, an denen man für kurze Zeit wohnt, um (im Normalfall) irgendwann wieder zu verschwinden und keine Spuren zu lassen. Gesanglich legt Marian Gold hier eine weitere Hochleistung hin, die Wahl der Stimmen für dieses Album muss an dieser Stelle ausdrücklich gelobt werden.

Mit eigenartiger Bittersüße läutet sich „My Heart’s Still Shaking“ ein. Mit lieblicher Stimme, die doch halb flüsternd und von Sperrigkeit getragen ist, wird auf ruhige Instrumentierung von Dunkelheit und zitternden Herzen gesungen. Eine merkwürdige Energie geht von dieser Nummer aus: irgendwie beruhigend, macht sie auf gleiche Art und Weise auch ein wenig nervös. Das Hin und Her spielt auch im Text eine gewisse Rolle: „Speeding up and slowing down“. Auch die Repetition, die sich durch den gesamten Song trägt, entfesselt dieses komische Gefühl beim Hörer. Etwas leichtherziger wird es auf „Damn Happy“, das mit akustischer Gitarre und fast schon David Bowie-esquem Flair ein wenig das „Space Oddity“-Gefühl transferiert: Das Gefühl der Glückseligkeit im Anbetracht des Abgrunds in der Fremde. „I’m so happy to be unhappy / I’m doomed and done, but I feel so grandiose“ Ebenfalls ein großer Song.

Auch „Junkyards“, Anspielstation Nummer acht, hat diesen folkigen Unterton und schließt fast schon nahtlos an den Vorgänger an. Gleichzeitig wird hier der Bogen zum Opening geschlossen, auch hier hören wir die Stimme von Joseh. Dieser Song klingt, als würde er im Abspann des Kopfkinos laufen, welches dieses Album erzeugt. „We’re hiding in strange places, falling down and down.“ Beschlossen wird „Waking Up In A Different World“ durch das Instrumental „Intelligent Design“, welches das Gesamtbild abrundet und uns auf eine letzte kleine Reise mitnimmt, unaufgeregt und atmosphärisch langsam pumpt und uns mit Keyboard-Chören und sphärischen Synths schließlich allein zurücklässt.

Fazit: Markus Reinhardt meint, mit RENARD habe er sich neu erfunden. Das mag stimmen, für mich hingegen hat er vor allem bewiesen, dass er nach wie vor ein großartiger Musiker ist. Einige Stücke mögen hier zwar einen gewissen Wolfsheim’schen Geist atmen, doch ist auch darüber hinaus die Größe, Vielfalt und schlichte Schönheit dieser Platte allgegen- wärtig und nicht zu leugnen. Die Auswahl der Gastsängerinnen und Sänger ist hierbei genauso gut gelungen wie die Komposition, die kleinen Geschichten innerhalb der Texte, und dem verdammt guten Klang der Platte. „Waking Up In A Different World“ ist definitiv ein paar Durchläufe wert und ein wirklich, wirklich schönes Synthpop-Album zwischen Retrospektive, Weiterentwicklung und warmer Energie geworden.

Tracklist:

01 The Meissen Figurine feat. Joseh
02 Restless feat. Marietta Fafouti
03 Travel In Time feat. Pascal Finkenauer
04 Heresy feat. Sarah Blackwood
05 Hotel feat. Marian Gold
06 My Heart’s Still Shaking feat. Eliza Hiscox
07 Damn Happy feat. Marian Gold
08 Junkyards feat. Joseh
09 Intelligent Design

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VÖ: 09.10.2020
Genre: Synthpop
Label: Metropolis Records

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