Radioaktivists – Radioakt One (CD-Kritik)

Kaum zu glauben, dass es schon 6 Jahre her ist, seitdem Radioaktivists das erste Mal auf dem „Dependence 2012“ das Licht der Welt erblickten. Der Vierer produzierte mit „Pieces Of Me“ eine ausgesprochen starke Elektroniknummer, die nicht nur in diversen Clubs zündete, sondern vor allem das Interesse der Fans nach einem kompletten Album laut werden ließ. Doch bis sich die über die weite Teile der Bundesrepublik verstreut lebenden Protagonisten Frank Spinath (Seabound, Edge Of Dawn, Lionhearts), Krischan Wesenberg (Roter- sand, Future Lied To Us), Daniel Myer (Haujobb, Architect, Liebknecht) und der zweite Vokalist Sascha Lange so sortiert hatten, dass auch alle mit dem Album zufrieden waren, ging einige Zeit ins Land. Nun ist es endlich soweit. „Radioakt One“ steht vor der Veröffentlichung. (Quel- le: Pressetext)

Vielleicht sind die Herren von den Radioaktivists genau das, was die Electro-Szene gerade gebraucht hat. „Radioakt One“ ist ein sehr gutes Album, das Mut zur Melodie, aber auch zur treibenden Rhythmik hat. Mit „Radioactive“ werden wir durch verzerrte Stimmen und einem Instrumental, das klingt, als würde eine Maschine sich warmlaufen, langsam in die Platte ein- geführt, bevor mit „Raiders“ ein klassischer düsterer Elektrosong mit knalligem Beat und melancholischer Atmosphäre geboten wird. Hallige Synths untermalen den durch Schwere und warmen Gesang getragenen Refrain.

Danach folgt mit „Skin And Bones“ eine Nummer, die das Tempo drosselt und bedrohlich in die Gehörgänge marschiert. Angespannt und mit Echo versehen kommen die Vocals daher, während die Instrumentals einen fast orchestralen Touch bekommen. Die Keyboard-Geigen werden bald durch Depeche-Mode-esque Vielschichtigkeit abgelöst, ein bisschen fühle ich mich an das „Ultra“-Album erinnert, das den Songs ähnlich viel Platz zum Atmen ließ. Es entsteht wie auf den vorherigen Tracks eine sehr dichte Atmosphäre, die Songs wirken lebendig und nicht plastisch. Gleiches gilt für „Sinner“, auf dem mechanisches Knarzen den leichten Groove trifft und man sich fühlt, als sei man direkt zwischen den Zahnrädern einer riesigen Maschinerie, der man nun dabei hörte, wie sie unaufhörlich und gut geölt weiterläuft. Verführe- risch, mit einer gewissen Größe, und mit einer wirklich grandiosen Bridge versehen, ist dieser Song einer der Favoriten auf dem Album.

Bis dann „Reach Out“ am Anfang brodelnd und düster daherspringt, direkt ins Bein geht und den Hörer unmittelbar in den Bann zieht. „I feel you have a taste for the night“, heißt es in der ersten Strophe, und passend dazu entwickelt sich dieser Song zu einem treibenden Tanz- garanten, bei dem es schwer fällt, nicht mitzugehen. Der Refrain ist darüber hinaus auch noch ein ziemlicher Ohrwurm. Es gibt sogar einen C-Teil mit einem rockigen Schlagzeug-Einschub. Während all dieser coolen instrumentalen Spielereien verliert der Song dabei nie seine Melancholie, die dem Song eine ähnliche Atmosphäre verleiht wie Peter Heppners „… und ich tanz“. Wenn wiederum die ersten Klänge von „Lovers“ erklingen, denkt man zuerst, dass dieser Song auch von den Chainsmokers sein könnte, bis in der Strophe dann ein typischer Future-Pop-Groove das Arrangement komplettiert und eine weitere atmosphärische, Layer auf Layer setzende Ballade mit weitem, räumlichen Klang schafft. Dicht und groß, einnehmend und romantisch nimmt der Song mit den gehauchten Vocals und dem VNV Nation nicht völlig unähnlichen Instrumental den Hörer in den Arm.

Wie ein schlagendes Herz klingt der Anfang des sich immer weiter aufbäumenden „I Want You“, das mit Attitüde und gefährlichem Unterton in den Strophen fesselt, bevor der Refrain eine schöne, kleine Melodie zaubert, die uns wieder auf das achten lässt, was auf diesem Album besonders hervorsticht: die Instrumentals. Hier hört man, dass sich dieses Projekt kei- nesfalls aus Amateuren zusammensetzt, sondern aus Meistern des Handwerks, großen Namen ihrer Richtung. Der Song schickt uns schließlich in einer längeren Passage auf eine Reise durch die vielschichtigen Synthies, die man problemlos mit geschlossenen Augen vornehmen kann. Das Bild, welches der Kopf zu dieser Musik zeichnet, lohnt sich. Im Kontrast dazu kom- mt mit „Sense Of Destruction“ genau das, was der Titel verspricht: eine düstere, fast rockig angehauchte Melodie mit gehauchten Vocals und unheilverkündenden Klängen, die sich ins Instrumental verweben. Der Refrain hingegen erinnert ein wenig an die ganz frühen Depeche Mode, und ich musste mich irgendwie ein bisschen an „Photographic“ erinnern.

Der wohl längste Song der Platte, „Pieces Of Me“, ist ebenfalls ein Song, der atmet, nichts überstürzt, sich aber auch nicht dahinzieht. Wie eine Geschichte werden die Strophe in einer Art Erzähl-Stimme vorgetragen, während die Melodie in eine „Sounds Of The Universe“ -Richtung tendiert. Klingt sehr knackig, sehr schön und sehr atmosphärisch. Ein weiterer Song, der gleichzeitig leicht und beschwingt und dennoch irgendwie schwer und bedrückend wirkt und dies mit einem toll gewobenen Soundgewand schmückt. Alles, was jetzt noch fehlt, ist ein passendes Outro – und das wird uns mit „Leere“ auf jeden Fall geboten. Echos aus dem bisherigen Album holen den Hörer ein, während das Instrumental wabert, bebt und sich auf- und abwiegt. Die Maschine lässt die Räder ein letztes Mal drehen, mit einer Vocal Performance, die sich am besten mit dem Wort „eery“ beschreiben lässt. Auf einer recht ruhigen Note endet das Album, eine Maschine, die am Ende in einen Leerlauf gerät und verstummt. Dieser Leerlauf ist jedoch keine Metapher für den Verlauf von „Radioakt One“, sondern lediglich das, womit das Album schließt: mit einem runden Gefühl, und damit, sich in der Endlosigkeit der sphärischen Klänge zu verlieren. Auch schön.

Fazit: Mit dieser Zusammenstellung von Musikern war damit zu rechnen, dass der erste Akt im Schauspiel der frisch geschlüpften Radioaktivists ein handfestes, gut produziertes Album sein wird. Genau das ist es geworden – dichte, verwobene Instrumentals schicken den Hörer auf eine musikalische Reise durch eine futuristische Melancholie. Der Sound ist am Puls der Zeit und repräsentiert viel von dem, was man 2018 an der Electro-Musik der Szene liebt, nicht jedoch ohne eigene kleine Einschübe und Referenzen. Mal hat ein Song fast eine Rock-Attitüde, mal wird der Geist des „Speak and Spell“-Albums beschworen, mal erinnern die Vocals ein wenig an Bowie, wie auf „Leere“. Das Ergebnis überzeugt – und lässt auf mehr hoffen.

Tracklist:

01 Radioactive
02 Raiders
03 Skin And Bones
04 Sinner
05 Reach Out
06 Lovers
07 I Want You
08 Sense Of Destruction
09 Pieces Of Me
10 Leere

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VÖ: 30.11.2018
Genre: Electro
Label: Dependent (Alive)

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