Lord Of The Lost – Swan Songs III (CD-Kritik)

Lord Of The LostDie „Swan Songs“-Reihe der heißgeliebten Hamburger Dark-Rock-Band Lord Of The Lost wird um einen weiteren Teil erweitert. Nebenbei werden die Fans nahezu mit verschiedenen Versionen von „Swan Songs III“ überhäuft – für unvergleichlich schlanke 35 Euro bekommt man in der Deluxe Box ganze sieben CDs. Mehr Lord Of The Lost geht kaum. Aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ könnte man hier nicht mehr verlangen: Schon das Kernwerk, die dreizehn Titel starke Platte voller neuer Nummern, aufgenommen mit dem Lord Of The Lost-Ensemble, ist die absolute Wucht. Hier hören wir extra zu diesem Anlass komponierte Songs, denen ihr klassisches Gewand nicht nur gut zu Gesicht steht, sondern maßgeschneidert wurde. Jede Nummer sorgt für Gänsehaut, die Atmosphäre ist ungeheuer dicht und die Songs wunderschön. Besonders „Dying On The Moon“ mit der fabelhaften Joy Frost fällt hier für die ungeheuer schönen Melodien und die großartige Harmonie mit Frontmann Chris Harms auf.

Doch auch der Rest der Neukompositionen hat es faustdick hinter den Ohren. „Zunya“ mutet hier und da fast mittelalterlich an, die Singles „A Splintered Mind“ und „A One Ton Heart“ liefern einen Einstieg in die Platte, der die Atmosphäre, die Schönheit und die ungeheure Detailliebe dieser schier großartigen Zusammenstellung anzukündigen wissen. „Unfeel“ ist episch und gleichermaßen romantisch, mit genialen Zeilen wie „Unravel my heart / Untravel the stars“. Ein wunderschönes Liebeslied, das fast schon Disney-Qualitäten hat – was in diesem Kontext als Kompliment zu verstehen ist.

„And I won’t leave your side until the bitter end“ – Themen der Liebe ziehen sich durch dieses Album. Wie ein Minnesänger hüllt Chris Harms dieses Thema wieder und wieder in schöne Worte und tolle Musik. Und ja, das kitscht auf „Deathless“ so richtig los, „Agape“ ist gezeichnet von düsterer Theatralik und „Ich brauche dich zum Leben“-Lyrik, und es ist großartig. Diese Dramatik passt zu diesem Album und wirkt an keinem Punkt peinlich.

„Hurt Again“ ist ein tiefgründiger Song über das Wiedergewinnen von Emotionen, der Dualität aus Schmerz und Glück, dass es immer zwei Pole geben muss, die sich anziehen müssen. Auf dem Song „Amber“ dominieren Piano und akustische Gitarre, erst in der zweiten Hälfte der Nummer wächst das Lord Of The Lost-Ensemble zu voller Größe an. Der Song ist mit seiner großartigen Atmosphäre, der langsamen Steigerung, dem hochinteres- santen Text und dem fantastischen Spannungsbogen ein weiteres Highlight der Platte.

Es folgt mit „We Were Young“ ein Song, den Lord Of The Lost mit dem Heaven Can Wait-Chor aufgenommen haben. In einer ZDF-Doku wurde die Entstehung des Songs und das Aufeinanderprallen zweier Welten, junge Goth-Rock-Männer und ein Chor, in dem das Durchschnittsalter jenseits der sechzig liegt, festgehalten. Das Resultat ist die wohl hymnischste Nummer auf „Swan Songs III“ und bildet, neben zweier anderer Versionen von Tracks des Albums, den Abschluss der ersten CD. Das Thema des Schwelgens in Erinnerung, des Blicks auf das eigene Leben voller Zufriedenheit, kommt hier zu einem großen Finale. Jede Nummer – eine Hausnummer, und so manches Tränchen im Augen- winkel.

Auf CD 2 erwarten uns nicht minder großartige neue Umsetzungen von bereits bekannten Lord Of The Lost-Songs. Nummern wie „Loreley“, „In Silence“ oder das 18 Minuten lange „Letters To Home“ wurden hier für das Ensemble neu arrangiert und sind allesamt absolute Hinhörer. Die ohnehin schon großartigen Songs erstrahlen hier in einem neuen Licht und bilden einen schönen Kontrast zu den Songs der Hauptplatte – gelegentlich fast ein bisschen wuchtiger und anderer Themenauswahl. Besonders das abschließende „Letters To Home“ wirkt in dieser Klassik-Version wie ein Stück Musik, das Freddie Mercury Minderwertigkeitskomplexe für „Bohemian Rhapsody“ eingebracht hätte. Ganz großes Tennis!

Die einzige Coverversion auf dem Album ist „4‘33“, welches eine „Komposition“ von John Cage aus dem Jahr 1952 „interpretiert“. Dieses „Hurz“ für Musikstudenten zeichnet sich dadurch aus, dass über die Dauer von 4 Minuten und 33 Sekunden kein einziger Ton gespielt wird. Die Umsetzung von Lord Of The Lost gefällt mir hierbei fast genauso gut wie die Interpretationen von Depeche Mode oder den Einstürzenden Neubauten, die ebenfalls „4‘33“ „coverten“.

Fazit: Swan Songs, Schwanengesänge, gelten als die letzten großen Werke von Dichtern oder Komponisten. Wir hören hier also unzählige letzte Worte. Somit erzählt „Swan Songs III“ immer wieder Geschichten verschiedener Leben, Retrospektiven, Liebesbekundungen, das Wiedererlangen von Gefühlen, die Rückkehr zu sich selbst. Ungeheuer atmosphärisch, oft sehr emotional, dabei nicht selten episch, liefern Lord Of The Lost ein wirklich fantastisches Album voller Tiefe und Schönheit. Die zweite CD, auf der bereits veröffent- lichte Songs klassisch umgesetzt werden, ist teilweise sogar noch ein bisschen großartig, da gelegentlich wirklich so wuchtig, wie nur eine klassische Begleitung das hinkriegen kann. Was für ein Koloss aus Schönheit, Epik und Gänsehaut-Momenten. Ich bin absolut platt, ergriffen und voller Freude, und kann nur erahnen, wie es sich anfühlt, zu wissen, dass man dank des Box-Kaufs jetzt noch fünf weitere CDs vor sich hat.

Tracklist:

CD1:
01 A Splintered Mind
02 A One Ton Heart
03 Dying On The Moon (feat. Joy Frost)
04 Zunya
05 Unfeel
06 Deathless
07 Agape
08 Hurt Again
09 Amber
10 We Were Young (feat. HEAVEN CAN WAIT Chor)
11 4‘33“
12 Dying On The Moon (Joyless Version)
13 We Were Young (feat. HEAVEN CAN WAIT Chor – ZDF Version)

CD2:
01 Loreley (Swan Songs III Version)
02 Morgana (Swan Songs III Version)
03 Black Halo(Swan Songs III Version)
04 Cut Me Out (Swan Songs III Version)
05 In Silence (Swan Songs III Version)
06 Seven Days Of Anavrin (Swan Songs III Version)
07 My Heart Is Black (Swan Songs III Version)
08 Letters To Home (Swan Songs III Version)

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VÖ: 07.08.2020
Genre: Dark Rock, Klassik
Label: Napalm Records

Lord of the Lost im Web:

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