Es gibt einfach Bands, die erst in Live-Situationen Ihr volles Potenzial entfalten. Die Düsterrocker Unzucht, die sich 2009 formierten und deren Bandmitglieder aus Hameln, Leipzig und Hannover kommen, zählen unwiderruflich zu dieser Gruppe. Der Vierer um den charismatischen Sänger Daniel Schulz liebt es einfach, auf der Bühne zu stehen und dieser Funke springt auch von der ersten Sekunde an auf Ihr Publikum über. 2016 war es an der Zeit ein neues Kapitel Ihrer Erfolgsstory aufzuschlagen: Unzucht verließen NoCut und unterschrieben einen Plattenvertrag beim renommierten Label Out of Line. Im März ließen die Musiker nicht nur bereits mit „Kettenhund“ den ersten Vorboten auf Ihr neues, viertes Studioalbum „Neuntöter“, das am 02.09.2017 erschien, über Out of Line von der Leine, sondern spielten auch als Support-Act auf der „Volle Kraft Voraus“ Tour der Münchner NDH- Pioniere Eisbrecher. Ende November 2016 folgte dann ihre eigene „Neuntöter“ Headliner- Tour, bei der Daniel Schulz & Co. eine ganze Reihe Clubs zum Beben brachten. Pünktlich zur großen Tournee, im Fahrwasser der „Sturmfahrt“ von Eisbrecher, veröffentlichten Unzucht am 1. September 2017 Ihr erstes Live-Album unter dem Titel Widerstand.
Im Rahmen dieser Tour hat es Eisbrecher und Unzucht am Tag der Deutschen Einheit (03.10.2017) ins Zenith nach München verschlagen. Unsere Redakteurin Julia Schuster er- griff noch vor Konzertbeginn die Chance, um mit Daniel Schulz und Toby Fuhrmann von Unzucht ein Interview zu führen. Aber lest selbst:
Ihr habt in den letzten Jahren auf vielen großen und kleinen Festivals gespielt und auch einige Touren absolviert – was ist euch lieber?
Daniel Schulz: Das kann man eigentlich gar nicht miteinander vergleichen, das ist beides richtig, richtig geil. Auf der eigenen Tour bist du viel näher bei den Leuten, auf der anderen Seite bei einem Festival, wie dem M’era Luna zum Beispiel, da hast du einfach eine unfassbare Aura, wenn so viele Menschen da vor der Bühne stehen, deswegen möchte ich mich nicht entscheiden müssen.
Ihr seid jetzt zum zweiten mal mit Eisbrecher unterwegs, wie ist da die Beziehung untereinander?
Daniel Schulz: Es ist einfach eine super Atmosphäre. Wir haben uns total gefreut, dass sie uns nochmal angefragt haben. Der ganze Tourtross ist auch sehr familiär und entspannt.
International seid ihr ja auch schon gut rum gekommen, ihr habt zum Beispiel in Finnland oder Russland gespielt – gibt es aber noch ein Land oder eine Location, die ganz oben auf eurer Wunschliste steht?
Toby Fuhrmann: Das ist super schwierig das festzulegen – am liebsten würde ich ja überall spielen. Mich ärgert das immer, dass es noch so viele geschlossene Grenzen gibt, dass man nicht einfach überall auftreten kann. Ich würde schon gerne auch mal in Nordkorea spielen.
Daniel Schulz: Das würde auf jeden Fall Bombe werden!
Toby Fuhrmann: Aber das House of Blues in San Diego, das wäre schon umwerfend.
Daniel Schulz: Ich hatte diesbezüglich schon mein Highlight. Nach vielen Jahren haben wir letztes Jahr zum ersten Mal in Spanien gespielt, und nachdem ich halb Spanier bin, war das Konzert in Madrid echt Wahnsinn! Die Leute sind so steil gegangen! Das war schon was ganz Besonderes für mich.
Toby Fuhrmann: Stimmt, Madrid war ein Kracher – aber Moskau fand ich auch super krass!
Daniel Schulz: Ja, das war absoluter Wahnsinn!
Wenn ihr dann im Ausland unterwegs seid, verändert ihr was an der Show und kann das Publikum dann die Songs auch mitsingen?
Daniel Schulz: Ja, Original! Wir verändern nichts an der Show außer, dass wir die Ansagen auf Englisch, oder eben Spanisch machen. Russisch kann ich leider nicht, ansonsten bleibt alles gleich.
Grade in Russland sind die Fans bombastisch. Wir haben da einen Fanclub, der hat uns vor den Konzerten angeschrieben, ob wir ihnen vorab eine Setlist schicken können. Normaler- weise geben wir die nicht raus, dass soll ja eine Überraschung werden, aber dann haben sie gesagt, sie wollen die Texte lernen, und alle können sie nicht lernen, deswegen wollten sie die Setlist. Und dann haben sie jeden einzelnen Song komplett mitgesungen, dass war echt beeindruckend.
Wie bereitet ihr euch auf eine Tour vor? Gibt es da bestimmte Abläufe?
Daniel Schulz: In dieser Hinsicht sind wir totale Punks. Wir bereiten uns eigentlich fast gar nicht vor. Klar wir schreiben ein neues Album, das wird aufgenommen und die neuen Stücke muss man dann wenigstens ein paar Mal gespielt haben. Also treffen wir uns zwei Tage, an denen wir effektiv nur einen halben Tag Proben und dann geht’s auch schon los. Wir sind da also wirklich echte Punkrocker in der Hinsicht.
Toby Fuhrmann: Wer probt hat Angst!
Habt ihr Rituale bevor ihr auf die Bühne geht?
Toby Fuhrmann: Den Sänger wecken!
Daniel Schulz: Wir machen einen Kreis und sagen uns da unsere Zauberworte, die gleichen wie schon vor dem ersten Auftritt. Unverändert, immer die gleichen Worte!
Seid ihr dann auch noch nervös, oder schon ziemlich abgebrüht?
Daniel Schulz: In dem Moment freut man sich dann nur. Nervös werd ich eigentlich immer nur, wenn ich mich vor der Show umziehe und fertig mache. Aber sobald ich umgezogen bin, ist alles gut – und dann will man einfach nur noch auf die Bühne. Toby geht ja als Erstes raus und man hört wie die Leute ihn feiern und empfangen, da willst du dann nur noch hinterher.
Wenn ihr ein neues Album produziert – wo sind eure Inspirationsquellen?
Daniel Schulz: Einfach aus Leben raus, Sachen, die man beobachtet, die man selber erlebt hat. Daniel (De Clercq) schaut zum Beispiel total viele Filme, da zieht er zum Beispiel eine Menge raus. Dann ist es auch so, dass wir in so was völlig unverkopft reingehen. Wir fangen an zu schreiben und dann hat es meistens ohne großes Nachdenken so geklappt, dass das aus uns rausgesprudelt kam, was wir zu der Zeit sagen wollten. Es ist auch so, dass wir zeitlich immer sehr komprimiert schreiben, dass alle Songs wie aus einem Guss sind. Deswegen zieht sich auch immer ein bestimmtes Grundgefühl durch jedes Album.
Habt ihr eigene Songs, die ihr eigentlich gar nicht mehr spielen wollt, oder auch welche, die ihr super gerne spielt?
Daniel Schulz: Ich hab das Glück, das ich eigene Songs nicht tothören kann. Deswegen hab ich da kein Problem mit. Es gibt aber natürlich Songs, die man besonders gerne mag, weil sie einem auch am Herzen liegen, weil da auch eine Story dahinter steckt, wie bei „Nur die Ewigkeit“ zum Beispiel. Das hab ich für einen Freund geschrieben, der leider verstorben ist, da ist es natürlich toll zu sehen, wie die Leute diesen Song aufnehmen und es ist halt jedes Mal wie eine kleine Gedenkfeier, nicht nur für mich, sondern auch für das Publikum und ihre ganz eigenen Gefühle und Erinnerungen an Leute, die sie verloren haben.
Ihr seid ja jetzt doch schon einige Jahre als Band unterwegs, was ist da der Moment an den man am liebsten zurück denkt?
Daniel Schulz: Boah, da gibt es soo viele.
Toby Fuhrmann: M’era Luna auf jeden Fall!
Daniel Schulz: Ja, unbedingt! Das war krass.
Toby Fuhrmann: Ich glaub, das war 2010, da haben wir das Mera Luna Newcomer Voting gewonnen und das war deswegen so krass, weil das erst unser fünfter oder sechster Auftritt überhaupt war – und dann auf so einer Bühne, aber Hallo! Das war glaub ich das Krasseste – morgens um 11! Und es war so unfassbar geil. Generell die M’era Luna Gigs, wir waren ja jetzt schon vier Mal da und es ist jedes Mal krasser geworden. Von der Menge an Leuten, die da um die frühe Uhrzeit schon vor der Bühne stehen, aber das Erste war definitiv was Beson- deres.
Daniel Schulz: Wir haben da angefangen zu spielen und es war noch nicht so viel los, aber es füllte sich dann immer mehr und ich hab damals ein Foto gemacht, da sieht man nur meinen Mikroständer und dahinter das Publikum. Das Bild habe ich immer noch am Handy und werd es auch nie löschen.
Toby Fuhrmann: Das ist auch super, dass sie das immer noch machen, dass da eine Newco- merband auftreten kann.
Jetzt zum Gegenteil, gibt es Momente an die ihr nicht gerne zurück denkt, die zum Beispiel besonderes peinlich oder unangenehm waren?
Daniel Schulz: Ähm, also ich bin ja mal von der Bühne gefallen.
Toby Fuhrmann: Das war auf jeden Fall super! Es ist auch zum Glück nichts passiert, weil er auf eine Rollstuhlfahrerin gefallen ist. Das Geilste war dann aber auch, das Schulz sich voll erschrocken hat, voll Durcheinander war und sie dauernd gefragt hat, ob sie in Ordnung ist und die war vollkommen entspannt und meinte nur „Ja bei mir ist alles gut, aber hier ist Dein Mikro, Du musst doch weiter singen.“
Daniel Schulz: Ja, das war halt so ein Catwalk und ich war auf dem Weg zurück und es waren grade alle Scheinwerfer an und ich hab nichts gesehen und bin einfach ins Schwarze gegangen und hab dabei die Ecke übersehen. Dann bin ich total ins Leere gestiegen und hab noch die Arme ausgestreckt um mich irgendwie abzufedern, aber da war halt nichts, außer dann der Rollstuhl, wo ich dann draufgekracht bin. Die war aber sehr entspannt und meinte, ich kann Ihr gerne öfter in den Schoß fallen.
Kommen wir mal zu eurem neuen Werk „Widerstand“. Ihr habt vor knapp einen Monat eure erste DVD auf den Markt gebracht – Warum?
Daniel Schulz: Weil man uns ganz oft sagt, das wir live so eine geile Energie haben und da dachten wir uns, das muss man auch mal festhalten. Und dann war es auch ganz spannend, ob wir es auch wirklich hinkriegen diese Energie einzufangen, aber ich finde, das ist sehr gut gelungen. Wir haben unseren Livemischer genommen, der hat das Ding gemischt, nicht irgendein Studiomensch, und der hat das wirklich sehr schön gemacht.
Toby Fuhrmann: Ich bin auch letztens gefragt worden, warum wir das ausgerechnet jetzt gemacht haben und nicht schon früher, aber die Zeit war jetzt reif, es hat sich erst jetzt richtig angefühlt und deswegen dachten wir, dann machen wir es auch! Und das Knust in Hamburg ist da auch perfekt dafür geeignet. Es ist ja nicht so, dass wir die anderen Städte nicht mögen, aber der Laden war einfach perfekt. Hamburg ist aber auch sowieso immer was Besonderes für uns. Anfangs als wir gestartet sind, hatten wir immer die meisten Auftritte in Hamburg.
Daniel Schulz: In Hamburg wurden wir zum Beispiel schneller angenommen, als in Hannover, in unserer Heimatstadt. Das kam dort tatsächlich erst in den letzten 1-2 Jahren. Das letzte Konzert in Hannover war dann aber ausverkauft und das war dann schon ein tolles Gefühl. Aber zurück zur Frage – wir haben ja mittlerweile vier Studioalben produziert und so eine Live Aufnahme ist ja dann auch sowas wie eine Zusammenfassung der ganzen Songs.
Fühlt es sich denn komisch an, wenn man auf der Bühne steht und weiß man wird gefilmt?
Daniel Schulz: Das haben wir tatsächlich ganz gut ausgeblendet.
Toby Fuhrmann: Der Gedanke war vor allen Dingen vor dem Konzert da, aber als wir dann gespielt haben auch irgendwie vergessen. Total konzentriert natürlich und danach ist uns auch ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Man überlegt sich natürlich schon so im Hinter- kopf, wenn ausgerechnet jetzt irgendwas schief läuft, dann isses halt richtig scheiße.
Daniel Schulz: Wir haben das ganze Ding vor allem auch komplett drauf genommen, alles ungeschnitten. Auch zwischen den Songs ist alles ungeschnitten, das wäre natürlich schade gewesen, wenn da irgendein Blödsinn gewesen wäre, dass man doch hätte schneiden müs- sen.
Aber die Leute waren einfach so derbe laut, dass sofort nach dem ersten Song die Sorgen fast vergessen waren.
Wenn ihr die DVD in drei Worten beschreiben müsstet?
Daniel Schulz: Unzüchtig geile Scheiße!
Auf die letzten vier Fragen wurde dieses Mal wie folgt geantwortet: :))
Ihr seid jetzt in München – hättet ihr gerne noch einen Abstecher aufs Oktoberfest gemacht?
Die Persönliche Meinung zur Entwicklung der Band?
Die ganz ehrliche, ungeschönte Meinung zu Alex von Eisbrecher?
Seid ihr froh, wenn die Tour rum ist, dass ihr nicht mehr aufeinandersitzt, oder vermisst ihr Euch dann schon auch mal?
Unzucht – Widerstand Tour 2017
+ Support: Hell Boulevard
03.11.17 Zwickau – Club Seilerstraße
04.11.17 Essen – Turock
10.11.17 Memmingen – Kaminwerk
11.11.17 Zofingen (CH) – Oxil
17.11.17 Kaiserslautern – Kammgarn
18.11.17 Seesen – Seesen rockt!
22.12.17 Kiel – Pumpe
23.12.17 Hannover – Musikzentrum
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