Die Kreatur – Panoptikum (CD-Kritik)

Die KreaturDie goldenen Zwanziger kommen wieder: Zwei hinreißend verdorbene Schurken kommen in Anzug und mit Zylinder, um – so wie das Cover von „Panoptikum“ verspricht – die eine oder andere Sau durchs Dorfe zu jagen gedenken. Diese beiden Männer, die wie aus der Dreigroschenoper geschnitzt wirken, heißen Chris Harms und Dero Goi. Bekannt und beliebt von ihren brillanten Hauptbands, die hier keiner Erwähnung bedürfen, wir kennen ihre Qualitäten, weben sie uns nun düstere, verruchte Mären mit Eingängigkeit und Tanzwut gepaart, sodass Die Kreatur auf ihrem Debutalbum geradezu einlädt, sich gehen zu lassen, während sie ihre pechschwarzen Geschichten erzählt. Willkommen im Wachs- figurenkabinett der Schaurigkeiten.

Ob das nun herrlich überzogen wirkt wie auf dem Opener „Die Kreatur“ oder die beiden Protagonisten als schnurrbartzwirbelndes, bitterböses Zwillingspaar in Erscheinung tritt, wie auf „Unzertrennlich“, es macht vor allem absolut gute Laune. Die Harmonie der beiden Stimmgewalten auf die fetten Instrumentals, die ordentlich abrocken, funktioniert einfach großartig. Dieses Duo passt einfach wie Arsch auf Eimer und gibt „Zwei 100%“. Letzterer Song wartet übrigens mit der großartigen Zeile „Wir sind die Erstbesetzung an der Doppelspitze“ auf. „Zweimal so gut, zweimal so schlecht“ – Augenzwinkernd führen uns die Cartoon-Bösewichte durch diese wahnsinnige Platte.

Das Album gelingt hierbei vor allem auch sehr abwechslungsreich. „Du sagst ‚Ich liebe dich‘ – Ich hasse, was du liebst“, brüllen die beiden auf dem hartmetallischen „Untergang“. Locker abrockend, mit Kippe im Maul und Sonnenbrille auf den blutunterlaufenen Augen, kommt die zweite Single „Kälter als der Tod“ daher. „Durch die Nacht“ ist eher balladesk, stark Gothic-Rock-lastig und behandelt das Thema Depressionen: „Manchmal gibt es nicht genügend Steine für die ganzen Spiegel dieser Welt“. „Schlafes Braut“ hingegen klingt wie eine Mischung aus russischer Folklore und dem „House Of The Rising Sun“.

Wer sich an das OOMPH!-Album „Des Wahnsinns Fette Beute“ erinnert, wird auf „Was mir am wichtigsten ist“ ein leichtes Déjà vu erleben – flotte Drums, spaßige Instrumentals, hoher Drive. Arschkalter Industrial untermalt derweil „MenschMaschine“, das zwar lyrisch recht platt daherkommt, durch das stark elektrische Arrangement dennoch überzeugt. Dreckige, knüppelharte NDH klöppelt durch „Benutz mich“, das in den Strophen Symphonic Metal-artige Harmonien einsetzt („Reiß mir die Seele aus meiner Seite und lass sie brennen in deiner Hand“), bevor es im Refrain dann aber ordentlich aufs Maul gibt. Zwischen Blues und Shanty groovt „Glück auf“ dahin und ist ein Kopfnicker zwischen Melancholie und Attitüde. Zum Schluss knallt es noch einmal gewaltig. „Glaubst du, alles kommt von selbst, weil du dich für göttlich hältst? Deus Ex Machina“, singen die zwei Mannen, während die Gitarre nur so dahinbrettert und episch-hymnische Hookmelodien den fetten Refrain von „Gott verdammt“ begleiten.

Als Abspann zum Album – und als letzter Spaß, den sich die zwei erlauben – covern Dero und Chris zu guter Letzt auch noch den „Goldenen Reiter“ von Joachim Witt, an dessen letzten Alben Chris Harms ebenfalls beteiligt war. Die Cover ist nettes Bonusmaterial, aber eher eine recht unspannende B-Seite. Die zwei zusätzlichen Remixe – „Die Kreatur“ wird neu bearbeitet von Faderhead, während Solar Fake den Song „Kälter als der Tod“ remixen – sind hingegen um einiges erfreulicher und könnten sich auf der einen oder anderen Synthpop- oder EBM-Party als wahre Gassenhauer behaupten.

Fazit: Zwei Großmeister tun das, was sie am besten können. Sie rocken gehörig ab und machen ein ungeheuer unterhaltsames Album. „Panoptikum“ ist eine riesige Party und macht Spaß, bietet ungeheuer viel Abwechslung und das eine oder andere Augenzwinkern („Untergang“). Die Frontsänger von OOMPH! und Lord Of The Lost feiern ihre Zusammen- arbeit, ohne sich dabei selbst zu ernst zu nehmen. Die fantastische Show, die die beiden hier entfesseln, ist fabelhaft geeignet, um uns über die aktuell eigenartigen Zeiten hinwegsehen zu lassen und zu Hause abzugehen. Nur Vorsicht: Beim unvermeidlichen Headbangen nicht am Wohnzimmertisch stoßen!

Tracklist:

01 Die Kreatur
02 Kälter als der Tod
03 Unzertrennlich
04 Durch die Nacht
05 Zwei 100%
06 Schlafes Brut
07 Untergang
08 MenschMaschine
09 Was mir am wichtigsten ist
10 Benutz mich
11 Glück auf!
12 Gott verdammt
13 Goldener Reiter (Bonus Track)
14 Die Kreatur (Faderhead Remix) (Bonus Track)
15 Kälter als der Tod (Solar Fake Remix) (Bonus Track)

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Release: 22.05.2020
Genre: NDH, Metal
Label: Napalm Records

Die Kreatur im Web:

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