Die holländischen Chartstürmer Delain haben nach fünf Alben sämtliche Ketten gesprengt und legen mit Apocalypse & Chill ein vielschichtiges, dystopisches Meisterwerk vor. Ein Gefühl einer ungewissen Zukunft und die stetig wachsende menschliche Gleichgültigkeit als Gegenpol zieht sich als thematischer roter Faden durch das gesamte Album, das sich mutig über Genre- grenzen hinwegsetzt. Das passend finstere Rückgrat stellt das stürmische Riffing, dem als melodisches Gegenstück orchestra- ler Charakter, packende Synth-Teppiche und unverwechselbare Sturm-und-Drang-Vocals, die Stirn bieten. “Apocalypse & Chill wird die Hörer überraschen”, resümiert die Band. „Es steckt voller neuer Einflüsse, und wir sind schon gespannt darauf, wie unser Publikum darauf reagieren wird.“ (Pressetext)
Und ich würde mal sagen, wir reagieren äußerst positiv auf diese Experimentierfreude und den Mut, neue Wege einzuschlagen. Was man in den 13 Songs hören kann, wirkt überaus gut durchdacht und stimmungsvoll. Delain verraten oder verkaufen sich nicht selbst, sondern man erkennt noch zu 100 % den Stil der Holländer. Einzig ihre Einflüsse scheinen sich etwas verändert zu haben. Einzelne Passagen wirken mutiger, was elektronische Einflüsse angeht, als noch in den Vorgängerwerken. Hier wurde mehr Raum gegeben, um Neues zu probieren, und das funktioniert wirklich hervorragend. Es wird aber äußerst viel Wert darauf gelegt, dass die Elektronik nichts überlagert, sondern immer nur verstärkend im Hintergrund agiert. So bleibt genug Kapazität, für das, was das Quintett um Sängerin Charlotte Wessels ausmacht. Glasklarer, engelsgleicher Gesang, der von dröhnenden Schlagzeug und brettharten Saiten getragen wird. Kombiniert mit orchestralen Einflüssen wirkt das Ganze vom ersten bis zum letzten Ton wie ein zusammenhängendes, stimmiges Gesamtwerk. Jeder Song für sich hat ein Alleinstellungsmerkmal, jeder Song seinen eigenen kleinen Aha-Effekt. Sei es ein bombastisches Gitarrensolo, wie in „Let‘s Dance“, oder wie die aufregenden Tempowechsel in „Ghost House Heart“ die eine ganz besondere Stim- mung verbreiten, hier wird es keine Sekunde langweilig. Generell ist die Verteilung von Gesang zu Instrumentalpassagen in Apocalyse & Chill sehr ausgeglichen gehalten. Schön, dass so jedes Instrument in einigen Passagen die tragende Rolle spielen darf. Aber auch im Zusammenspiel funktioniert hier alles hervorragend. Nichts wirkt überlagernd oder gar erdrückend, es ist eine ausgeglichene, musikalische Symbiose, die jedem Part genau den richtigen Raum einräumt, perfekt abgemischt ist und so zu einer bahnbrechenden musika- lischen Tiefe beiträgt. Genauso das Wechselspiel aus episch anmutenden Tracks mit epochalen Intros, flotten Songs, die einen nach vorne treiben und ruhigen, gefühlvollen Balladen ist hier schön gewählt. Man kann zu keiner Sekunde erahnen, was als Nächstes kommt und so wird dieser Langspieler auch nach mehrmaligem Hören nie langweilig.
Fazit: Man kann hier definitiv eine musikalische Weiterentwicklung hören. Diese geht in eine schöne Richtung. Delain schaffen es zu experimentieren, sich auszuprobieren und ganz anders zu klingen, als man es erwartet, gleichzeitig aber ihrem eigentlichen Stil treu zu bleiben und ihren Wiedererkennungswert zu behalten. Das ist eine schwierige Kombina- tion, ein wahrer Drahtseilakt, den sie aber gekonnt meistern und so mit Apocalyse & Chill ein weiteres Meisterwerk zu erschaffen. Wenn man jetzt nach einem Wermutstropfen suchen möchte, dann kann man einzig und alleine anmerken, dass der eine Reißer, der in die Clubs auf und ab gespielt wird und die Tanzflächen füllen wird, nicht wirklich identifi- zierbar ist.
Tracklist:
01 One Second
02 We Had Everything
03 Chemical Redemption
04 Burning Bridges
05 Vengeance
06 To Live Is To Die
07 Let’s Dance
08 Creatures
09 Ghost House Heart
10 Masters Of Destiny
11 Legions Of The Lost
12 The Greatest Escape
13 Combustion
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Release: 07.02.2020
Genre: Gothic Rock, Symphonic Metal
Label: Napalm Records
Delain im Web: