Anne Clark – The Law Is An Anagram Of Wealth (Re-Release) CD-Kritik

Anne Clark„The Law Is An Anagram Of Wealth“ war das zweite Studioalbum von Anne Clark im Jahr 1993 nach einer erzwungenen Pause infolge einer umfassenden Auseinandersetzung mit der Musikindustrie. Mit diesem Album dankte Anne den wenigen in der Musikindustrie und den Tausenden und Abertausenden von Anhängern und Unter- stützern, die ihr zur Seite standen und sie ihre musikalische Reise noch einmal beginnen ließen. (Quelle: Pressetext) Nach der Neuauflage ihres Erstlings- werkes „Unstill Life“ (08. Mai 2020) erscheint nun auch das zweite Studioalbum als Re-Release erstmalig samt Bonustracks als Digipak am 29. Mai 2020 via FDA (Rough Trade).

Mit hauchender, ruhiger, zierlicher Stimme, begleitet von vereinzelten, feengleichen Back- ground-Chören hören wir nach einem ersten instrumentalen Intro nun, auf dem Song „So Quiet Here“, die Stimme einer in dieser Form einmaligen Künstlerin. Ursprünglich am 1. September 1993 erschienen, wird nun das Anne Clark-Album mit dem cleveren Titel „The Law Is An Anagram Of Wealth“ wiederveröffentlicht. Schon der Titel klingt unterschwellig intellektuell-punkig. Und irgendwie ist das, was Anne Clark macht, auf ganz eigene Art und Weise Punkmusik. So völlig abseits von dem Rest der Musiklandschaft liefert sie Poesie, bei der die Instrumentierung fast schon als Teil der Lyrik zu verstehen ist.

Die Sprache, die Anne Clark spricht, findet ihren Ausdruck in der Kombination aus Wort, Intonation (wie sie allein auf -th endende Worte wie „breath“ ausspricht – hach…) und der Musik. Das, was hier instrumentell gezaubert wird, ist hierbei nicht nur Untermalung, sondern Vervollständigung. Besonders in den reduzierteren Momenten („At Midnight“) ist diese absolut treffsicher. Sie lässt das empfangende Ohr hinein in eine Traumwelt, so zaghaft, vorsichtig und voll mit klitzekleinen Ansätzen, dass nur der Hörer die wahre Größe des Raumes ausmalen kann. Poesie lebt von Reduzierung, von dem, was nicht gesagt wird.

Schon der Titel des Intros – „Flight To Sunlit Clouds“ – gibt so viel Freiheit mit. Ein Flug durch sonnendurchflutete Wolken, einer der größten Kindheitsträume, das absolute Gefühl der Unabhängigkeit. Unabhängigkeit von allen Menschen, von der Gravitation. „Indeed I hardly care if the world things I am dead, neither can I deny it, for I am truly dead to the world“, deklamiert Anne Clark auf „Lost To The World – „I live alone in my heaven, in my loving, in my song.“ Auch hier wieder dieses Bild vom persönlichen Loslösen, dieses Ausbrechen aus den Zwängen und Ketten, dieses Punk-Gefühl. Nur eben in einer fortge- schrittenen Form, man ist bereits ausgebrochen, man hat all das hinter sich gelassen, eine Gleichgültigkeit entwickelt. Fast schon möchte man sagen: Zufriedenheit. Ich bin anders als ihr, wir funktionieren nicht zusammen, und das ist perfekt so.

Musikalisch bewegt sich dieses Album zwischen klassischer Instrumentierung und synthe- tischen Klängen, die sich meist auf Drums beschränken, hie und da hört man auch die eine oder andere Gitarre. Besonders auf „Fragility“ wird diese Atmospheric-Rock-Facette dieses Albums erstmals deutlich.

Mit der Deluxe-Version wird die ursprüngliche Tracklist des Albums um drei Nummern erweitert, eine davon der Main Mix von „If I Could“, die anderen beiden Remixes. Besagtes „If I Could“ hat den vielleicht größten Pop-Charakter der Platte, mit elektronischer Melodie, schmissigen Drums, und erinnert stark an prägende Synthpop-Bands – „Construction Time Again“, flüstert es in meinem Hinterkopf – doch auch hier liegt ein eigener, irgendwie uriger Touch vor, der der Atmosphäre von Fernweh nach einer gedanklichen Oase keinen Abbruch tut. Auch hier werden wiederum Streicher eingesetzt, während „Nightship“ auf eine einprägsame Bassline sowie afrikanisch anmutende Drums setzt. Doch auch hier ist der atmosphärische, fast schon technohafte Song nicht weit. Im Bezug auf diese Musik ist es als Kompliment zu verstehen, dass ich mir gut vorstellen könnte, wie gerade dieser Song im Jahre 2020 in einem Technoclub läuft, wo zu bunten Lichtern ein paar Teenager auf LSD sehr exaltiert zu ihm tanzen.

Beschlossen wird das Album vor den für einen Re-Release unvermeidlichen Bonus-Tracks mit dem wohl abgefahrensten Song der Platte. „I Of The Storm“ gemahnt hier und da fast schon an Pink Floyd und enthält wiederum ein schönes Wortspiel im Titel. Anne Clark performt hier mit absoluter Kraft, brüllt schon fast ins Mikrophon, versetzt mit irrem Background-Geflüster und fast schon apokalyptisch-folkigem Instrumental, mit ein paar Southrock-Anleihen hier und da. Hier wird es fast schon wild auf den acht Minuten, die dieses Finale umfasst. Angespannt, durcheinander und absolut faszinierend hat man das Gefühl, hier reißt Anne Clark endgültig die Ketten entzwei, sprengt die Zwänge des Gedankenkäfigs – „I am the scum!“, „Tear it down!“. Im Auge eines Sturms hat es selten so wenig Windstille gegeben. Was für ein Abschluss!

Fazit: Was gibt es groß zu sagen? Anne Clark malt Träume von Freiheit. Dieses Album ist ein dreidimensionaler Gedichtband, voller Tiefe, Hoffnung, aber auch Wut. Es wirkt fast wie ein konzeptionell zusammengestaltetes Album, das seine Geschichte rückwärts erzählt, beginnend mit dem sich entladenden Zorn auf „I Of The Storm“ und schließlich mündend in der Losgelöstheit, der Stille, dem Frieden, dem Flug gen Himmel. Zurück blickt der Hörer auf ein ungeheuer faszinierendes Werk, wie es nur von einer Künstlerin wie Anne Clark kommen kann. Eine hochspannende, atmosphärische, rund daherkommende Platte, die enorm starke Bilder zu zeichnen weiß. Es ist Anne Clark sehr zu wünschen, dass die Wiederveröffentlichung von „The Law Is An Anagram Of Wealth“ dazu beiträgt, ihr Werk an neue Generationen zu tragen. So auch mein Appell an dich, lieber lesender Mensch: Widme dieser Künstlerin bitte ein wenig von deiner wertvollen Zeit. Ich bin mir sicher, auch du wirst der Kraft und der Schönheit dieser Platte erliegen.

Tracklist:

01 Introduction: Flight To Sunlit Clouds
02 So Quiet Here
03 At Midnight
04 Lost To The World
05 Come In
06 Fragility
07 That We Have Been Here (Version)
08 Longing Stilled
09 If I Could (Main Mix)
10 Nightship
11 Seize The Vivid Sky
12 The Haunted Road
13 I Of The Storm
14 The Haunted Road (Arctic Ambient Mix)
15 If I Could (Extended Hip Bone Mix)

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Release: 29.05.2020
Genre: Experimental/Electro
Label: FDA / Anne Clark (Rough Trade)

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