Als habe es mit „Midget Vampire Porn“ nicht erst kürzlich schon eine gehörige Dosis Vampirismus auf die Ohren gegeben, lässt es sich Chris L., dessen Musikprojekt Agonoize schon immer für Extreme stand, nicht nehmen gleich noch einen Nachschub in EP-Form zu servieren.
Nebst dem bereits auf der letzten Platte veröffentlichten Titel- track gibt es auch das eine oder andere neue Stück Musik sowie eine Handvoll Remixe zu hören. „Breathe“ überzeugt so mit einem guten Drive und Geräuschen aus dem Maschinenraum der mit Blut betriebenen Aggrotech-Perversions- maschine, glitchy sounds und dem wie üblich etwas verzerrt gestimmten Chris L. daher. Die Melodien sind eingängig, der Sound ist breit, böse und pechschwarz, der Song über- zeugt. Fast future-poppig kommt „I Just Want To Live“ auf Anspielstation drei und entfesselt eine vielleicht vergleichsweise gesittete, aber alles andere als uninteressante Facette im Bretter- sound, mit dem Agonoize sonst so durch die Gegend pflügen. Die Texte drehen sich weiterhin um Schmarotzer, Energievampire, Zeitdiebe, Hass und das psych- ische Ausbluten. „Gib mir mein Leben zurück.“
Auch „The Fall“ hat einige Ambitionen. Sehr langsam und wie eine Kamerafahrt durch die Hölle verbreitet dieser Song das Gefühl, eine Geschichte zu erzählen, garniert durch eine mehrschichtige Vocal Performance von Chris L., dem man trotz der Verzerrung anhört, dass hier einige der Screams eher aus einer Verzweiflung geboren sind. Hier entsteht eine gute Atmosphäre, die beweist, dass seit „Koprolalie“-Zeiten das Songwriting von Agonoize definitiv facettenreicher und interessanter geworden ist. Und vom Titel allein her verspricht auch „Requiem“ einiges. Requiem heißt: die Sterbemesse. Für Agonoize ist das auf jeden Fall ein angebrachtes Thema, und so gelingt diesem Song ein sehr geiler Einstieg, der klingt wie eine Elektro-Eisenbahn, die losschnauft, bevor der Song in der typischen Manie(r) der Band den Hörer durch die Gegend treibt. Verspielte Sounds, bedrohliche Klangwelten und Drums wie eine Großhirnmassage. Leicht martialisch, technoid, auf die Zwölf, und ohne einen Hauch von Fröhlichkeit. Man könnte es fast als durchweg überzeugende Agonoize-Fingerübung bezeichnen.
Weiterhin gibt es ein paar Remixe. Intent:Outtake nehmen sich des Songs „Bullet“ an und machen die „Hasserklärung“, wie ich den Song in meiner Review zum letzten Agonoize-Studioalbum nannte, zu einem unter Dampf stehenden Clubhit. Wir schwitzen im Takt zur Patrone im Auge und singen: „Nicht jeder ist so blöd wie du!“ Im „Vanguard Remix“ des Titeltracks erstrahlt selbiger nur fast mit einem gewissen Pop-Appeal, es lässt sich gut dazu mitgehen, wenn auch die Kombination aus Chris L.´s bitterböse klingenden verzerrten Vocals und dem lupenrein klingenden Future-Pop-Techno-Instrumental doch erst ein Minütchen braucht, bevor man sich warmgehört hat. Rausgeschmissen wird man mit „Weltenschmerz (Diverje Remix)“, und spätestens jetzt fliegen die Cocktailgläser durch die verrauchten Floors des Gothic-Clubs in meinem Kopf. Hierzu wird nicht getanzt, da wird gepogt, und Bass und Rhythmus lassen nichts zu wünschen übrig. Vergessen darf man dabei jedoch nicht, dass dieser Song auch lyrisch einige gute Momente hat, wodurch dies zu einem außerordentlich gelungenen letzten Spielzug dieser Maxi wird.
Fazit: Der eine oder andere DJ wird sich über diese EP freuen können, denn insbesondere die Remixe eignen sich gut für den einen oder anderen schwarzen Dancefloor. Um jedoch eine reine Club-EP mit Spaß am Loslegen zu sein, ist „A Vampire Tale“ zu ambitioniert, und die unveröffentlichten Songs verdienen auf jeden Fall ein wenig Aufmerksamkeit. Wer also knapp drei Monate nach dem letzten Agonoize-Album schon Sehnsüchte nach dem einen oder anderen Aggrotech-Arschtritt verspürt, wird an dieser EP und einigen durchaus spannenden Ideen, die sich auf ihr erstrecken, seine helle Freude haben. Eine Runde Kunst- blut für alle!
Tracklist:
01 A Vampire Tale (Blutdurst)
02 Breathe
03 I Just Want To Live
04 The Fall
05 Requiem
06 Bullet (Intent:Outtake Remix)
07 A Vampire Tell (Vanguard Remix)
08 Weltenschmerz (Diverje Remix)
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Release: 07.02.2020
Genre: Electro, Aggrotech
Label: Repo Records
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