Ein wenig Metal, ein wenig NDH, einiges an Elektronik, das sind Aeronautica, eine noch recht junge Band, die auch auf ihrem zweiten Album „Der Himmel Brennt“ zwar gut abzuliefern wissen, doch es ist klar, dass diese Gruppe sich noch ein wenig entwickeln muss. Während das Soundgewand schon wirklich ordentlich ist – lobend hervorzuheben sind hier auf jeden Fall „Wermaschine“, ein absoluter Headbanger, und „Schwarz“, das fast etwas Folk Rock offenbart – gibt es vor allem textlich hier und da noch Ausbaufähigkeit.
So ist das bereits erwähnte „Wermaschine“ zwar ein brachialer Opener, aber Tobias wirkt in den Strophen nicht so ganz stimmfest. Mehr verunsicherter Sprechgesang als verun- sicherndes, unheilvolles, raues Hauchen oder Bellen, was hier vielleicht ein bisschen gut getan hätte. „Doch gefährlich nur an Vollmondtagen“ wirkt hier vorgetragen wie eine Gesangsdemo, da diese Zeile irgendwo im Nichts ersäuft. Ein paar klischeehafte Texte sind ja völlig ok, das kann ja auch ganz schön sein, aber was man sich da bei „Der Smutje“ gedacht hat, ist mir irgendwie schleierhaft. Ist das jetzt eine Rammstein-Parodie? Ist das überhaupt ernstgemeint? Kann ich ein Metal-Schauermärchen ernst nehmen, wenn darin unter anderem das Wort „Basilikum“ vorkommt, was ja eines der ungruseligsten Worte ist, mit der uns diese Sprache bedacht hat?
Auch beim Refrain von „Der Maschinist“ hat man das Gefühl, dass hier noch nicht angstfrei genug mit der Stimme umgegangen wird. Der Gesang wirkt seltsam vorsichtig, obwohl die Strophen doch wirklich ordentlich klingen. Hier rettet das Arrangement den Song noch insgesamt zu einer Nummer, bei der man darüber gern hinwegsieht. Darüber darf man aber bei dem zweiten Studioalbum einer Band, meiner Meinung nach, getrost hinwegsehen. Denn wenn man mal darüber hinausschaut, merkt man, dass diese Band sehr viel Potential bietet. Ein gewisses ASP-Gefühl stellt sich beim Hören der Songs ein, insbesondere bei Nummern wie „Geisterschiff“, das fast ein halber Shanty ist. „Im Tiefflug“ ist ein schöner Zerhackstückler mit ordentlich Gitarren- und Keyboardwumms, hier und da wird die Suppe vom verziehenen Smutje auch noch mit ein paar Orchester- melodien angeeckt.
Mit eines der Highlights jedoch ist tatsächlich der politische Song. „Spieglein, Spieglein“ schreit ja schon vom Titel her überplumpe Sozialkritik, doch dann schnetzelt nach einem kurzen Intro hier diese Nummer so richtig los, das Instrumental ist eine absolute Wucht, und mit einer gewissen Punk-Angepisstheit schmeißt Tobias hier eine fast schon schlagruf- artige Zeilen ein, um das dann mit einem leicht seemännisch angehauchten Refrain zu quittieren. Quasi Santiano für den Moshpit. Und Pluspunkte gibt es natürlich sowieso immer dann, wenn auf Konstantin Wecker angespielt wird. (Auch die bereits erwähnten ASP haben diesem ja bereits ihren eigenen Stempel aufgedrückt.) Bei dem Thema, das den meisten Platz für Abgedroschenheit bietet, wird sie am besten ausgehebelt. Die Erwähnung und Karikierung der Phrase „Ich bin ja kein Nazi, aber“ wird mit einem Trötengeräusch retourniert. Schöne Sache das.
Auch die „Bergwacht“ ist eine mehr als ordentliche Nummer, die vor allem durch Gitarren- geballer im Refrain auffällt, welches gleichermaßen Härte, Wut und ein gewisses Fernweh, eine Dringlichkeit auszudrücken weiß. Da verzeiht man Zeilen wie die etwas unschöne Satzbiegung „Niemand damit gerechnet hat“ oder „Aus der Erde dringt ein – Schlund!“ „Schwarz“ haut auch ordentlich auf die Fresse, der Refrain lässt sich wunderbar voll- trunken mitsingen und es gibt ein schönes kleines Growl. Mehr kann man von einem Hymnenanwärter doch eigentlich nicht verlangen. Definitiv eine spaßige Nummer.
Die Seemännerromantik wird dann samt Zupf-, Streich- und allen anderen Instrumenten dann noch einmal so richtig ausgereizt, wenn das Album mit „Sehnsucht Ahoi“. Zum Ende darf dann eben auch ein bisschen auf die Tränendrüse drücken. Dass diese Drüse dann zwar nicht unbedingt Zähren fließen lässt, sondern eher etwas schalen Wein in neue Schläuche laufen lässt, geschenkt. Auf Konzerten wird man darüber hinwegsehen können. Und ein Album mit so viel Schifffahrtsästhetik ohne Kitsch wäre ja auch sinnlos.
Fazit: Auf großer Fahrt sind die Aeronauten noch nicht angekommen, sie müssen sich erst noch ein wenig unter Deck beweisen, doch sie lernen langsam, mit dem Ruder umzugehen. Deutlich wird jedenfalls, dass sie durchaus das Potential haben, aufs Oberdeck befördert zu werden. Klar, das Album hat seine Makel, mit genügend Zeit und Geld hätte man hier sicherlich noch das eine oder andere ein bisschen aufpeppen oder noch einmal die Gesangskabine aufsuchen können, im Großen und Ganzen wird hier aber besonders instrumental mehr als ordentliche Arbeit präsentiert. Und obwohl ich kein großer Freund von Best-Of-Platten bin, wünsche ich mir, dass die Jungs in zehn Jahren oder so ein finanziell attraktives Angebot für die Neuaufnahmen einiger ihrer alten Songs bekommen. Dann könnte die „Wermaschine“ sich nachträglich zum besten Lied auf dieser Platte mausern. Aber bis dahin haben wir ja zumindest schon einmal „Geisterschiff“, „Spieglein, Spieglein“ und „Im Tiefflug“, und vieles zum Mitklatschen, Mitgrölen, zum ein bisschen Kuscheln und, selbstverständlich, zum Abrocken. Ahoi!
Tracklist:
01 Wermaschine
02 Das Ende der Zeit
03 Abenteuerlust
04 Geisterschiff
05 Bergwacht
06 Der Maschinist
07 Spieglein, Spieglein
08 Der Smutje
09 Im Tiefflug
10 1000 Lichter
11 Schwarz
12 Sehnsucht Ahoi
Kaufen: Amazon
VÖ: 23.08.2019
Genre: Metal
Label: Aeronautica
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