Alphaville – The Breathtaking Blue (Remaster) (CD-Kritik)

AlphavilleIm Jahr 1989 veröffentlichten Alphaville ihr drittes Studioalbum „The Breathtaking Blue“, das im Vergleich zum Vorgänger hier und da etwas düsterer ausfiel, jedoch gleichermaßen den typischen Charme der Band nicht vermissen zu lassen. Immer hymnenhaft, immer sehr, sehr, sehr 80er, und mit lieblichen, leicht verdaulichen Melodien garniert. Vor 32 Jahren reichte das in Deutschland knapp für die Top 50, jetzt wird das Album in einer neu gemasterten Version mit insgesamt 19 Bonustracks (davon allein sechs Versionen von „Romeos“) wieder auf den Markt gebracht, um Fans, Sammler:innen und mögliche Frischlinge in der Alphaville-Welt zu erfreuen.

Das ist auch gut so, denn tatsächlich taugt dieser Longplayer doch einiges. „Summer Rain“ zum Beispiel lädt mit seinem Klavier, den Synth-Streichern und dezentem Schwermut zu einem im Titel angedeuteten Blues-Gefühl ein. Zurückgenommen startet die Platte, um kurz danach mit „Romeos“ und „The Mysteries Of Love“, beide mit einem leichten Depeche Mode-Gefühl, das sich besonders durch die Drums auszudrücken weiß, einige der bekan- ntesten Songs dieses Albums abzufeuern. Insbesondere Letzterer hat eine absolut infektiöse Vocal-Melodie, auch wenn der Refrain absoluter Europop ist, wie eine bessere und variablere Version von Modern Talking. Zwischen diesen beiden Nummern versteckt sich mit „She Fades Away“ ein wahrlich großartiger, dunkel anmutender Song, der einen angenehmen zu den pompösen und tanzbaren Hits mit leichter Queen-Aura bildet.

„Ariana“ wiederum ist zu einem großen Teil eine verrückte Rocknummer, ohne jedoch das, was diese Band so bekannt machte, auszublenden. Besonders schön aber ist hier die etwas freakige Bridge nach dem Refrain, die sich immer noch gut genießen lässt. „Heaven Or Hell“ hingegen wird dank Lounge-Stimmung, Piano und Saxophon wieder etwas bluesiger, die Marian mit seinem Gesang ganz hervorragend trägt. „For A Million“ wiederum erinnert musikalisch eher an „Big In Japan“ inklusive der leicht ungehaltenen Stimmung des Originals. In dieser angenehmen, lässigen Melodie liegt etwas Tiefergehendes, gepaart mit manchen verzerrten Vocals, genauso wie einem recht gelungenen Mitsummpart.

Mit „Middle Of The Riddle“ finden wir dann einen Hybriden aus Disco und Shanty vor, der durchaus unterhaltsam und etwas überraschend ist, mit treibendem Rhythmus und einiger Zügigkeit. Die Art, wie hier mit unterschiedlichen Gesangsspuren gearbeitet wird, zwischen Chor und dialogischem Charakter, ist ausgesprochen interessant. Das Instrumental „Patri- cias Park“ ist eine stark opern- beziehungsweise operettenhafte Nummer, und aus den Keyboards wird hier mal prompt ein ganzes Orchester gezaubert. Das ist schön anzuhören, doch mein persönliches Highlight dieser Platte ist der Closer. „Anyway“ ist eine wirklich wunderbare Ballade – „Welcome, or should I say goodbye / It’s a question how close we are apart“. Das ist ganz groß, und setzt diesem Album definitiv die Krone auf.

Nur schade, dass die CD an dieser Stelle mit diesem kurzen und geschmackvollen Abschluss eben nicht ausklingt. Denn, statt wie bei der Neuveröffentlichung von „Afternoons In Utopia“ den obligatorischen Bonus erst auf der zweiten CD zu präsentieren, wird hier schon die erste CD mit drei nicht sonderlich interessanten Single- und 7-Inch-Remixen gestreckt. Das ist bedauerlich, weil sich diese Versionen der Songs nicht nur von ihren Originalen ausschließ- lich durch die radio- bzw. singlefreundlichen Kurzschnitte unterscheiden, sondern auch nichts beitragen. Wenn diese nun unbedingt nötig gewesen wären, so hätte sich doch sicher auf der Bonus-Disk auch noch einiges an Platz gefunden, wenn man die nicht mit gleich fünf Versionen desselben Songs zugeparkt hätte. Natürlich, der Sammler freut sich über alles, was er in die Finger bekommt, aber ob nun wirklich die kurze Version von „Romeos“, die lange, die fürs Radio und die drei Remixes allesamt so bitternötig waren, ist fraglich.

Fazit: Während „Afternoons In Utopia“ ein guter Nachfolger zum größten Erfolg der Band überhaupt war, der sich im Großen und Ganzen mit einigen spaßigen Nebenzweigen an die Formel hielt, ist „The Breathtaking Blue“ ein wirklich tolles Album, das verdient, neu entdeckt zu werden. Hier gibt es wahrlich mancherlei Nummer, die nochmal einiges an Beachtung verdient. Das Nice-to-have-Bonusmaterial ist, bemessen an der Neuveröffent- lichung des Vorgängers, ein noch größeres Zusammenklauben, als es das Format ohnehin hergibt. Das ist auch gut und schön – wer’s braucht, von mir aus – doch alles, was man wissen muss, findet sich in den zehn Tracks des Kernalbums. Da gibt es genug Tolles zu finden.

Tracklist:

CD 1:
01 Summer Rain
02 Romeos
03 She Fades Away
04 The Mysteries Of Love
05 Ariana
06 Heaven Or Hell
07 For A Million
08 Middle Of The Riddle
09 Patricias Park
10 Anyway
11 Romeos – Single Version
12 Summer Rain – Single Version
13 The Mysteries of Love – 7 Inch Remix Edit

CD 2:
01 Romeos – Extended Mix
02 Summer Rain – Extended Version
03 The Mysteries Of Love – Remix
04 Headlines
05 Sister Sun
06 Like Thunder
07 Summer In Berlin – Demo Version Remix
08 She Fades Away (Titanic Version) – Original Demo
09 Ariana – Original Demo
10 Heaven Or Hell – Original Demo
11 Headlights – Original Demo
12 The Mysteries Of Love – Alternative Remix
13 Romeos – Teknopella Remix
14 Romeos – Balcony Mix
15 Romeos – Radio Edit
16 Romeos – Tribal Mix

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VÖ: 07.05.2021
Genre: Synthpop
Label: Warner

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