The Edge Of Reason – Sting (CD-Kritik)

The Edge Of ReasonManchmal schreiben die schlimmsten Erlebnisse die schönsten Geschichten. Manchmal ist es auch so, dass in den dunkelsten Zeiten das Licht am hellsten scheint. Was jetzt ziemlich poetisch klingt, soll eigentlich eine Einleitung für eine Band werden, die genau dies widerspiegeln. Bei The Edge of Reason passt nicht nur der Bandname (sinngemäß übersetzt „Am Rande des Wahnsinns“) diesen Aussagen, sondern auch die Message, die hinter dem Projekt steckt. Sänger Ro Seven sagt von sich selbst, dass er jeden Tag damit zu tun hat seine inneren Dämonen zu bekämpfen. Aus diesem – eigentlich eher negativen Kampf – sprudelt aber eine unfassbare Kreativität, die wiederum ein musikalisches Projekt trägt und einen unfassbar hochqualitativen Output an Songs mit sich bringt, dass sich manch einer (ich eingeschlossen) fragen wird, warum man all die Jahre seit der Gründung der Band in 2012 noch nichts von ihnen gehört hat. Auch wenn die bayerische Combo, bestehend aus fünf jungen Musikern, bereits kleinere Erfolge ver- zeichnen konnte, die große Aufmerksamkeit haben sie (leider) noch nicht auf sich gezogen. The Edge of Reason ziehen aus diesem bestehenden inneren Kampf eine wahnsinnige Energie, schaffen es diese in Songs zu stecken und wollen die gewonnene Kraft so an alle weitergeben, die mit dem Leben zweifeln. Mit ihrem zweiten Studioalbum Sting gehen sie jetzt den nächsten Schritt auf ihrem Weg.

Zwei Gitarren, zweistimmiger Gesang, bzw. Screams und Growls, Schlagzeug und ein Bass. Ziemlich klassische Zusammensetzung für eine Rockband. So wirklich als Rockband will man The Edge of Reason aber gar nicht bezeichnen. Wir bekommen viele seichten Töne zu hören, die geschickt in treibende, eigentlich schnelle Titel eingebaut werden, aber auch elektronische Passagen, die in Songs im Hintergrund eine unterstützende Wirkung erzielen, um noch das letzte Fünkchen Energie aus einem Song zu kitzeln. Der Gesang ist im ersten Moment ganz anders als erwartet. Ich hätte mit einer herberen, verrauchteren Gesangs- stimme gerechnet, sowohl vom optischen ausgehend, aber auch bei den ersten Tönen vom einleitenden Song „A Stranger You Know“ war ich auf vieles gefasst, nicht aber auf die überraschend helle und klare Gesangsstimme. In Kombination mit den kantigen und ziemlich derben Growls und den hohen Screams baut dieser Kontrast eine einnehmende Wirkung auf, die die anfängliche Verwunderung sofort verfliegen lässt und auf voller Linie überzeugen kann. Einzig die sehr hoch angesetzten Töne, die man zum Beispiel in „Bread And Water“ des öfteren hören kann, sind noch ausbaubedürftig. Passagenweise hätte der Fokus gerne mehr auf Gitarre und Bass gelegt werden können und weniger auf elek- tronische Helferlein im Hintergrund. Zwar schaffen es die Synthies den einzelnen Song Schwung zu verleihen und nach vorne zu treiben, aber leider geht dahinter das eine oder andere man der schöne Klang von ehrlichen Instrumenten verloren. Auch wenn ich The Edge of Reason nicht als Rockband bezeichnen will, fällt mir tatsächlich keine richtige (Genre-) Bezeichnung für die Combo ein. Ein bisschen Rock, ein bisschen Pop, ein bisschen Hardcore, ein großes bisschen Gefühl, ein bisschen 80er, ein bisschen Elektro und das alles mit einer ordentlichen Priese Mut und Kreativität gemixt ergibt den ganz eigenen Stil der fünf Regensburger. Vielleicht ist es aber genau das, was The Edge of Reason ausmacht – Schubladendenken ist hier unmöglich. Wenn man dennoch eine öffnen möchte, dann kann man höchstens behaupten, dass der Wiedererkennungswert extrem hoch ist. Die Songs ähneln sich in ihrem Stil und ihrem Aufbau doch sehr, sodass wenn man das Album Sting am Stück durchhört, keine großen Überraschungen oder Wow-Momente auf unsere Ohren warten. Einzig der abschließende Track „Despair“ schafft es ein bisschen, das vorhandene Muster zu brechen, da hier der Fokus stark auf dem Gesang liegt, möglicherweise kann man den Track auch als einzig wirkliche Ballade des Langspielers bezeichnen. Diese hat auf mich leider nicht die Wirkung, die sie erzielen könnte, da mir die Elektronik hier viel zu schrill ist. Dafür können aber die eingebauten Tempowechsel voll überzeugen.

Fazit: Sting ist ein klasse Album geworden. Egal, ob man jetzt in einer Lebenskrise steckt und aus den Songs Energie ziehen möchte, oder man einfach ein Herz für Musik hat, oder kurzweiligen Zeitvertreib sucht. The Edge of Reason sollten dank ihrer Vielseitigkeit eigent- lich von jedem eine Chance bekommen in die Plattensammlung aufgenommen zu werden. Und wenn die letzten kleinen Feinheiten auch noch geschliffen werden, erwartet uns hier in den nächsten Jahren großartige Musik von großartigen Künstlern.

Tracklist:

01 A Stranger You Know
02 Come True (Remastered)
03 Paradox
04 Through My Eyes
05 Better Days
06 River (Remastered)
07 Insomnia
08 Squeezed Lemon
09 Bunny Plek
10 Bread and Water
11 Crystal Ball
12 Sorry
13 Despair

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Release: 25.10.2019
Genre: Rock, Post-Hardcore
Label: STF-Records

The Edge Of Reason im Web:

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