Lacrimosa – Zeitreise (CD-Kritik)

Fast dreißig Lenzen hat das Schweizer Duo Lacrimosa nun schon auf den Bühnen der Szene zugebracht. Ein Ende ist nicht in Sicht, ein neues Album befindet sich bereits in Arbeit, dennoch lässt Tilo Wolff es sich nicht entgehen, mit „Zeitreise“ eine Werkschau herauszugeben, die sowohl das bisherige Werk der Band erkundet als auch in die Zukunft blickt.

Auf dieser sich über zwei CDs erstreckenden Sammlung findet man selbstverständlich viele der Songs, die als Aushängeschilder für die Band gesehen werden. Jedoch haben auch so Perlen wie „Seele in Not“ den Weg auf diese Compilation gefunden. Letzteres ist einer der Songs vom allerersten Demotape „Clamor“ und liegt hier in der sogenannten Urversion vor. Natürlich haben sich auch viele der Songs, die bereits als Singles veröffentlicht wurden, auch auf „Zeitreise“ mit eingereiht. „Alleine zu zweit“, „Alles Lüge“ und „Stolzes Herz“ sind Titel, die bei Fans hinlänglich bekannt sind. Gleichzeitig gibt es aber auch Songs wie das wunderbar dramatische „Die unbekannte Farbe“, in dem die Vocals fast die Intensität eines „Hallelujah“ erreichen, bevor die Gitarren das Lied noch weiter erheben.

Der Song „Durch Nacht und Flut“ befindet sich auch auf dieser Platte – in einer exklusiven spanischen Version, in der in der zweiten Hälfte über das melancholisch-große Instrumental ein entsprechender Text gesungen wird. Über so etwas freut man sich, genauso wie darüber, dass es hier auch Songs wie „Irgendein Arsch ist immer unterwegs“ zu hören gibt. Orchestral getrieben, symphonisch und episch – der Sound der nach einem Stück aus Mozarts Requiem benannten Band zeichnet sich zwar durch Variation und Abwechslung aus, diese Elemente lassen sich jedoch überall wiederfinden. „Not Every Pain Hurts“ überzeugt zum Beispiel durch den Einsatz einer Drehleier, die dem Sound eine gewisse zusätzliche Schwere einzuhauchen vermag, und „My Pain“ fällt gleich mit der Symphonic-Metal-Tür ins Haus, das knallt erstmal ein bisschen und ist dann sehr schön gitarrenlastig und breit.

Mit „Feuer“ findet sich einer meiner persönlichen Lieblingssongs von Lacrimosa ebenfalls auf dieser Platte wieder. Die Streichersequenz, die sich fast durch das ganze Lied zieht, ist fantastisch geschrieben und der Kinderchor, da bekomme ich regelmäßig Gänsehaut. Auch „Der leise Tod“ ist so eindringlich und düster, dass ich gar nicht anders kann, als mich in ihm zu verlieren. Eines muss man sagen: Lacrimosa können einfach gut diese sehr düsteren Balladen produzieren, die sich dann immer weiter aufbauen und dann nach dem Höhepunkt wieder etwas ruhiger werden. Dies entspricht dem urtypischen Spannungsbogen für klassische Geschichten, und nichts anderes tun Lacrimosa – unter Zuhilfenahme unfassbar atmosphä- rischer, dichter Musik erzählen sie Geschichten.

Natürlich gibt es hier aber nicht nur alten Wein in neuen Schläuchen, Lacrimosa beschenken uns nämlich noch mit drei neuen Songs. Der erste, „Lass die Nacht nicht über mich fallen – Reprise“, ist eine Neuaufnahme des Songs vom letzten Studioalbum „Testimonium“. Der Song „Drei Sekunden“ beginnt mit einem Klaviermotiv, das durch den ganzen Song hinweg wiederholt wird und irgendwie komisch klingt. Der Song baut eine große Düsternis und Bedrohlichkeit auf, kurze, eindringliche Sequenzen, schnelle Gitarrenanschläge formen sich zu einem unruhigen, sehr, sehr beeindruckenden Lied zusammen. Sehr spannender Song.

Den Abschluss macht nun der totale Blick in die Zukunft, nachdem wir Vergangenheit und Gegenwart nun hinter uns gebracht hätten. „Im Schatten der Sonne“ ist ein Song vom kommenden neuen Studioalbum des Schweizer Projekts. Im Text wird mit der Menschheit abgerechnet. „Kein Mensch ist mehr wert, kein Mensch ist schlechter, kein Mensch darf unter einem anderen Mensch leiden“ heißt es da, bevor das Orchester mal wieder durch seinen schieren Bombast alles regiert und später durch die Gitarre angereichert wird. Einigen wir uns einfach darauf: Wenn man Symphonic Metal richtig macht, kann man damit einige der fantastischsten, beeindruckendsten Songs überhaupt schaffen.

Fazit: Tja, was soll man sagen? Ein schönes Büffet, für alles was dabei. Die Fans werden wohl am gespanntesten auf die drei neuen Songs sein, und die sind auch wirklich gut. Da es sich um eine Best Of handelt, werde ich bei meinem Anspieltipp nur zwischen den drei neuen Nummern wählen. Mein Tipp ist also „Im Schatten der Sonne“, der ist wirklich ziemlich brillant.

Tracklist:

CD 1:
01 Ich bin der brennende Komet
02 Lichtgestalt
03 Bresso
04 Nach dem Sturm
05 Not Every Pain Hurts
06 Die unbekannte Farbe
07 Der Morgen danach (metus version)
08 Irgendein Arsch ist immer unterwegs
09 Alleine zu zweit
10 Satura
11 My Pain
12 Keine Schatten mehr
13 Stolzes Herz (single version)

CD 2:
01 Durch Nacht und Flut (spanish version)
02 Seele in Not (Urversion)
03 Der leise Tod
04 Copycat
05 Thunder and Lightning
06 Ich verlasse heut‘ dein Herz
07 Feuer
08 Alles Lüge
09 Schakal (single version)
10 Lass die Nacht nicht über mich fallen – Reprise
11 Drei Sekunden
12 Im Schatten der Sonne

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VÖ: 22.03.2019
Genre: Symphonic Metal/NDT
Label: Hall of Sermon (Sony Music)

Lacrimosa im Web:

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